Matthias Dudde M. A.

Historiker

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Leseproben

Solare Visionen

Solarenergie im Wärmespeicher Bergwerksgrube?

aus: industrie-kultur 1/2004 S. 6

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Seit etwa einem Vierteljahrhundert wird in Deutschland die Solartechnik angewendet. An vielen Stellen ist sie zur Alltagskultur geworden, wie beispielsweise bei Parkscheinautomaten, die ihren Strom von kleinen Photovoltaikanlagen bekommen. Die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom ist jedoch nur eine Seite der Solartechnik. Die andere Seite ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Wärme durch Sonnenkollektoren.

In Deutschland werden rund 40 Prozent des Energiebedarfs für die Wärmeversorgung von Gebäuden benötigt. Dabei entfällt ein sehr geringer Teil auf die Brauchwassererwärmung. Der überwiegende Teil, fast 90 Prozent, wird für die Raumheizung benötigt. Ist es nun möglich die Solartechnik für diesen Wärmebedarf zu nutzen? Das technische Grundprinzip ist einfach: Es handelt sich um ein geschicktes Zusammenspiel der Elemente Sonne und Wasser. Die Sonneneinstrahlung erwärmt in Sonnenkollektoren Wasser auf Temperaturen um 90°C. Im Sommer kann das warme Wasser unmittelbar über ein Leitungsnetz an die einzelnen Abnehmer für den täglichen Warmwasserbedarf verteilt werden. Es handelt sich vom Prinzip her um "Fernwärme", allerdings mit dem Unterschied einer solaren Wärmebereitung.

Heißwasser-Wärmespeicher

Der Heißwasser-Wärmespeicher in Friedrichshafen (12.000 m3 Speichervolumen) dient im Endausbau der Vorsorgung von bis zu 570 Wohneinheiten des Neubaugebiets Wiggenhausen (Quelle: Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart.)

Das entscheidende zu lösende Problem dieser "Solarthermie" ist, dass im Sommer Wärme im Überschuss vorhanden ist, während in der kalten Jahreszeit der hohe Wärmebedarf nur durch riesige Kollektorenflächen unmittelbar gewonnen werden könnte. Die Lösung dieses Problems besteht darin, die im Sommer produzierte Überschusswärme mit Hilfe saisonaler Wärmespeicher bis in den Winter zu konservieren. Bei diesen Wärmespeichern handelt es sich um große, meist unterirdische und nach außen wärmegedämmte Tanks. Das darin enthaltene Wasser wird im Sommerhalbjahr durch die Sonnenkollektoren erwärmt. Aufgrund seines physikalischen Verhaltens ist das Element Wasser hervorragend geeignet, Wärme lange Zeit zu halten. Hinzu kommt, dass durch die großvolumigen Tanks die äußere Oberfläche, durch die die Wärme verloren gehen kann, in Relation zum gesamten Wasservolumen sehr gering ist.

Saisonale Wärmespeicher sind somit der zentralen Baustein der solar unterstützten Nahwärme. Bautechnisch scheinen sich vier Typen durchzusetzen. Heißwasser-Wärmespeicher, die auch oberirdisch eingerichtet werden, bestehen aus Beton oder glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK). Bei den Untergrundwärmespeichern unterscheidet man zwischen eingegrabenen künstlichen Bauwerken die nur mit Wasser oder mit Kies und Wasser gefüllt sind sowie solchen Systemen, die den natürlichen Untergrund nutzen und diesen über Wärmetauscher (Erdwärmesonden) oder Brunnen (Aquiferspeicher) erschließen.

Für jedes dieser vier Speicherkonzepte existiert in Deutschland mittlerweile mindestens eine Pilotanlage. Sie sind zumeist Bestandteil eines Siedlungsbauprojektes. Die Entscheidung für einen bestimmten Speichertyp hängt im Wesentlichen von den örtlichen Gegebenheiten und insbesondere von den geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen im Untergrund des jeweiligen Standortes ab. Mit Blick auf die Einbindung der Solaranlage werden Systeme mit Kurzzeit- oder Langzeit-Wärmespeicher unterschieden. Erstere sind auf 15 bis 20% solaren Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf für Raumheizung und Trinkwassererwärmung ausgelegt. Systeme mit Langzeitspeicher sind in der Regel auf solare Deckungsanteile zwischen 30 und 60% ausgelegt.

GFK-Heißwasserspeicher - Pilotspeicher am Standort Schortetal

300 m3 GFK-Heißwasserspeicher - Pilotspeicher am Standort Schortetal
(Quelle: Dipl.-Ing. Jürgen Bühl, TU Ilmenau Fakultät für Maschinenbau, Ilmenau)

Ob der Standort Ruhrgebiet technisch und wirtschaftlich sein könnte, ist Gegenstand der Forschung unter anderem an der Ruhruniversität Bochum. Im Mittelpunkt stehen dabei die vorhandenen Hohlräume, das heißt die Grubengebäude der vielen Schachtanlagen, die durch den jahrzehntelangen Steinkohlenbergbau entstanden sind. Durch die kilometerlangen Stollen und Strecken ist ein weit verzweigtes Netz von unterirdischen Hohlräumen vorhanden. Sie sind dabei den natürlichen Felskavernen ähnlich, die beispielsweise in Skandinavien für solar unterstützte Nahwärme genutzt werden. Darüber hinaus kann durch die höheren Gebirgstemperaturen - vor allem in größeren Teufen - auf aufwendige und kostenintensive thermische Isolierung des Speichers verzichtet werden. Ob es jedoch zu einem Musterprojekt im Ruhrgebiet kommt, ist noch Gegenstand der Untersuchungen.

Matthias Dudde, Dortmund

[ Industrie-Kultur ]
Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

[ www.bine.info ]
Informationen zu Langzeit-Wärmespeichern und solarer Nahwärme


Solare Netze

Das Institut für Regional-Ökonomie zeigt Wege in die klimafreundliche Wärmewirtschaft

aus: Windblatt, Information für Mitglieder des WIND e.V., Energie 2030, NOVE e.V. und der Solarinitiative an der RWTH e.V., Nr. 31, Juni 1998, S. 13.

Regionale Wirtschaftsstrukturen sichern Arbeitsplätze und entlasten die Umwelt, sie fördern das soziale Miteinander und ermöglichen die demokratische Partizipation. Eine dezentrale Energiewirtschaft mit einem überwiegenden Anteil an regenerativer Ernergiegewinnung und eine ökologische Nahverkehrsinfrastruktur sind die tragfähigen Grundpfeiler zukünftiger regionaler Ökonomien.

Mit dieser programmatischen Ausrichtung wurde 1996 das Institut für Regional-Ökonomie von einer Gruppe Robin Wood-Aktivisten gegründet. Seitdem werden in regelmäßiger Folge Analysen und strategische Konzepte zur Energie- und Verkehrswirtschaft erarbeitet: 1994 (noch im Rahmen von Robin Wood) "Manager der Klimakatastrophe. Die Deutsche Bank und ihre Energie- und Verkehrspolitik" (Verlag die Werkstatt), 1997 die Studie: "Solare Netze. Neue Wege für eine klimafreundliche Wärmewirtschaft" (Verlag die Werkstatt) und in diesem Jahr für den Koordinationskreis Siemens-Boykott "Siemens Nuklear. Alternativer Bericht über die Atom-Geschäfte der Siemens AG" sowie die Studie "Alternativer Bundesverkehrswegeplan".

Energiefressender Verkehr

Der alternative "Bundesverkehrswegeplan" und die "Solaren Netze" bilden die Ausgangspunkte der eigenen Ansätze. In der Verkehrsstudie wird belegt, dass ein ländlicher Nahverkehr mit Hilfe von elektrischen Bus- und Bahnsystemen aufgebaut und finanziert werden kann. Die Einführung eines solchen ländlichen Nahverkehrssystems könnte mindestens 50% der Autofahrten übernehmen und damit massiv die Energieressourcen schonen und den Schadstoffausstoß senken.

Wärmewirtschaft

Der Genossenschaft Energie 2030 thematisch näher liegen die Überlegungen einer Wärmewirtschaft auf der Basis "Solarer Netze". Die Diskussionen um die Nutzung regenerativer Energiequellen konzentrieren sich in der Regel auf den Bereich der Stromerzeugung. Aufbau und Förderung der Windkraft und Photovoltaik mit kostendeckender Stromeinspeise-Vergütung sind hier die aktuellen Themen. Wenig Beachtung findet der Einsatz thermischer Sonnenkollektoren zur Deckung des Warmwasser- und Raumwärmebedarfs.

Wärmespeicher

Cover

Die Idee ist denkbar einfach: Die auf Dächern und Freiflächen montierten thermischen Sonnenkollektoren erhitzen in den Sommermonaten Wasser, das in "saisonale Speicher" (z. B. Felskavernen oder in der Erde versenkte Stahlbetonbehälter) geleitet wird, um in den Wintermonaten den Wärmebedarf eines Hauses, einer Siedlung oder einer Kommune zu decken. In der Studie "Solare Netze" konnte Henrik Paulitz vom Institut für Regional-Ökonomie zeigen, dass ein solcher Einstieg in eine neue Wärmewirtschaft für Kommunen nicht nur theoretisch, sonder auch praktisch möglich ist.

Detailliert wurden vorhandene Projekte ausgewertet: haupt- sächlich Beispiele aus Skandinavien und die deutschen Projekte in Hamburg-Bramfeld und Friedrichshafen-Wiggenhausen. Als zentrales Hemmnis stellt sich die Finanzierung in den derzeitigen Strukturen der Energiewirtschaft dar. Paulitz entwickelt eine Finanzierungsstrategie, die auf eine teure und volkswirtschaftliche unproduktive Kreditfinanzierung durch Banken verzichten kann.

Finanzierung

Er schlägt vor, den Wärmepreis flächendeckend sukzessive zu erhöhen und die Mehreinnahmen über räumlich begrenzte Solarfonds für den schrittweisen Ausbau der "Solaren Netze" zu verwenden. So wie heute der teure Atomstrom über den Strompreis finanziert wird, sollen künftig die Kosten für die Solarwärme auf direktem Wege über den Energiepreis gedeckt werden.

Da allzu hohe Energiepreise sozialpolitisch nicht zu akzeptieren sind, müssen Finanzmittel durch die öffentliche Hand bereitgestellt werden. Ohne eine neue staatliche Kreditaufnahme könnten durch eine wieder erhobene Vermögenssteuer, durch eine drastische Besteuerung der Atomrückstellungen und durch einen Rückfluss der Monopolgewinne der Energiekonzerne der Aufbau dieser ökologisch sinnvollen Energiesysteme ermöglicht werden.

Eine detaillierte Berechnung der "Solare Netze", ihrer Finanzierung und der damit verbundenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt am Beispiel einer konkreten Kommune wird eines der nächsten Projekte des Institutes für Regional-Ökonomie sein.